Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, als es hieß: "Die Deutschen können keine guten Serien machen." Und schon gar nicht können diese Serien im internationalen Vergleich bestehen. Jetzt ist da schon wieder eine neue deutsche Serie auf Netflix aufgetaucht, die sich in Sachen Produktion mit den großen Serienproduktionsländern messen kann. Oder es zumindest versucht: "Biohackers".
Herzlich Willkommen in Freiburg. Die bekannte Weltmetropole (?!) ist Schauplatz der neuen Netflixproduktion. Und da fängt für mich ein erstes Problem an: Freiburg passt meiner Meinung nach nicht als Schauplatz. Ich kenne die Stadt zwar nicht besonders gut, aber alles wirkt so riesig und übertrieben metropolig. Irgendwie stelle ich mir das eher in einer Millionenstadt vor. Aber wer weiß, ich kenne mich mit Biohacking nicht aus. Vielleicht machen das die Wissenschaftler an der Uni Freiburg ja wirklich. Und trotz Metropolizität (oder so) ist es halt gleichzeitig auch die überschaubare Studentenstadt im schönen Breisgau. Hier trinkt man Tannenzäpfle, lebt in Altbau-WGs und fährt überall mit dem Fahrrad hin.
Und dann kommt da diese böse Genmanipulatorin Dr. Lorenz und zerstört das Idyll. Naja, sie ist schon da. Medizinstudentin Mia kommt. Und es wird sehr schnell klar, dass sie ein Hühnchen mit Dr. Lorenz zu rupfen hat. Diese hat etwas mit dem Tod von Mias Zwillingsbruder zu tun. Und das hat irgendwas mit Genetik zu tun. Um die Details herauszufinden und Beweise zu finden, belegt Mia die Bio-Seminare von Dr. Lorenz und wird – schwupps – Hiwi bei ihr. Das geht alles viel zu schnell. Überhaupt geht alles wahnsinnig schnell. Die Eröffnungssequenz der Staffel kündigt nämlich bereits eine Situation zwei Wochen nach Beginn der Handlung an, d. h. die gesamte Handlung der sechs Episoden spielt in einen Zeitraum von zwei Wochen. Nur mal, um zu verdeutlichen, wie schnell da alles geht: Mia hat in dieser Zeit zwei Beziehungen mit Typen, die sie jeweils vorher nicht kannte. Und mit Beziehungen meine ich Beziehungen, so mehr oder weniger mit verlieben. Naja, vielleicht auch nur so halb, aber es wirkt alles etwas konstruiert und unrealistisch.
Wenn ich mich da an mein erstes Semester zurück erinnere, da hat das ja ewig gedauert bis ich überhaupt mal jemanden kannte. Und Hiwi nach ein paar Tagen Uni? Und seit wann haben Medizinstudenten überhaupt so viel Freizeit und studieren so wenig? Na gut, es geht hier nicht ums Studieren, sondern ums Biohacking. Gott obsolet machen, wie Dr. Lorenz sagt. Genmanipulation. Aber auch das wirkt so unecht. Mir ist die Welt sehr fremd, das muss ich zugeben, aber die Serie bewirkt auch nicht, dass sie mir nähergebracht wird. Ich verstehe auch, ehrlich gesagt, die Gesamtsituation nicht, also was genau da jetzt passiert ist mit Mias Bruder… Ich glaube, dass man inhaltlich mehr aus der Thematik hätte holen können. Weniger Lügen und Geheimnisse, mehr Mystik und mehr Zeit. Und mehr Spannung. Die fehlt mir auch an manchen Stellen. Irgendwie deutet sich vieles schon am Anfang an und ist so oder so ähnlich vorherzusehen. Selbst die Wendung zum Staffelfinale habe ich beinahe erwartet.
Was man der Serie dennoch lassen muss, ist dass sie international wirkt und so bei Netflix auch über die Grenzen Deutschlands eine Chance haben kann. Die Hauptdarsteller gefallen mir gut. Sie sind alle jung und mir unbekannt (bis auf Jessica Schwarz als Dr. Lorenz) – was ein Rezept ist, das sich bei anderen Serien bewährt hat. Da denke man mal nur an "Dark". Aber im Gegensatz zu "Dark" gefallen mir die Rollen nicht. Mir fehlt hier einfach eine Identifikationsfigur. Aber das mag auch der naturwissenschaftlichen Welt geschuldet sein, die mir, wie gesagt, gänzlich fremd ist.
Mich überzeugt "Biohackers“ nicht. Kann man gucken, muss man aber nicht. Wenn man mal damit anfängt, wächst schon ein wenig Neugierde, aber befriedigend ist der Prozess nicht immer. Aber, es sind ja nur sechs Folgen...
Ach, und was ich sonst noch mitnehme: meine Studienzeit war langweilig. Aber ich glaube, das wusste ich vorher schon.
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